Der »Landgasthof Engel« macht seinem Namen alle Ehre. Von außen steht er da, wie man sich ihn in Rheinhessen vorstellt. Rheinhessischer Kalkstein, Fenster mit schön dekorierten Blumenkästen, links anschließend verglast der Blick in die Vinothek und den Innenhof. Da sagt man sich, »gehen wir doch mal rein.« Und es wird noch besser. Innen verleihen das Sichtgemäuer und das Holzgebälk sowie der Holzfußboden in den verschiedenen Räumen, von der »Uhrenstube« bis zur Stube »In de alt Küch« ein vor allem im Winterhalbjahr ungeheuer wohliges Gefühl, das zum Verweilen einlädt.
Im Sommerhalbjahr setzt der malerische Innenhof noch eins drauf. Schöner kann man kaum sitzen. Umsäumt vom Bruchsteingemäuer der umschließenden Gebäude teilt sich der Innenhof durch ein künstlich angelegtes Bächlein in zwei Hälften. Das Bächlein fließt in ein kleines Seelein mit einer kleinen Mühle: ein Biotop verschiedenster Pflanzen. Im Hof stehen Feigen- und Birnbäume. Oleander schmückt den Garten sowie die Holztische. Vom Hof kann man ebenfalls in den verglasten Bereich der Vinothek schauen.
Vinothek, ja. Das Gasthaus gehört genauso zum Ensemble des Weinguts Immerheiser in Schwabenheim wie das Restaurant für gehobene Küche, der »Alte Weinkeller«, einige Straßen weiter. Für die etwas rustikalere, regionaltypische Küche steht der »Engel«. Man darf also keine Gourmetküche erwarten. Was im »Engel« angeboten wird, ist aber durchweg von richtig guter Qualität.
Die Weinauswahl zum Essen ist breitgefächert. Die Weine aus dem hauseigenen Weingut haben sich in den letzten Jahren stetig verbessert.
Verbessert zeigte sich auch der Service, an dem wir in den letzten Jahren mitunter auch einmal Kritik üben mussten. Nicht so dieses Mal. Zunächst wurde man freundlich an den Tisch geführt, umgehend die Speisekarte gereicht und auch gleich das erste Getränk – eine Flasche Mineralwasser (7 €) – serviert. Recht schnell war der Kellner wieder da und wir konnten für jeden als Aperitif ein Gläschen Secco rosé (0,1 l/3,50 €) und dazu einen ordentlichen Teller Aioli und Oliven mit Brot (12,90 €) ordern. Beim sommerlichen, aber doch trockenen Secco, dem mediterranen Teller und knusprigem Brot ließen wir die Blicke über den Hof schweifen und konnten beobachten, wie das Bächlein etwa alle halbe Stunde mit Wasser gespeist wurde.
Wir ließen uns also in dieser Umgebung Zeit. Zunächst probierte ich ein Gläschen Scheurebe (0,1 l/3 €) und stellte fest, dass auch Immerheiser die Kunst, Scheurebe trocken auszubauen, immer besser beherrscht. Natürlich schön nach Südfrüchten schmeckend, ist auch die Scheurebe ein Genuss im Sommer.
Zum Hauptgang gingen wir verschiedene Wege. Meine Frau in Richtung Fisch, ich in Richtung Fleisch. Meine Frau wählte den Lachs – wegen der Marinade als »Honig-Lachs« tituliert – mit einer Radieschensalsa, Dilljoghurt und Kartoffelchips (29 €). Auch farblich passend zum Lachs trank sie dazu eine Rosé-Schorle (0,4 l/5,20 €). Besonders neugierig machte sie die Salsa, die sich auf dem Lachs wiederfand. Es war dann doch weniger Salsa und mehr Radieschenstückchen, die allerdings als markanter Gegensatz zur Honigsauce zusammen mit den Kräutern das Lachsgericht aus dem Alltagseinerlei herausrissen. Die Kartoffelchips waren knackig, aber glücklicherweise doch noch nach Kartoffeln schmeckend, der Dilljoghurt eine frisch-crèmige Ergänzung.
Ich selbst entschied mich nicht für einen der sehr beliebten Klassiker – Selztalschnitzel, Winzerpfanne (je 19,90 €) oder Saumagen (20,90 €) –, sondern schaute einmal, ob die Küche auch ein Rumpsteak (33,90 €) ordentlich hinbekommt. Als Beilage kamen zwar nicht, wie auf der Karte angekündigt, Bohnen und getrocknete Tomaten, sondern ein mediterranes Gemüse mit Paprika, Zucchini und Auberginen. Das war dafür exzellent gewürzt, saftig und mit viel Rosmarin, Thymian und Oregano aus dem eigenen Kräutergarten gebraten (auf die Kartoffeln als Beilage hatte ich verzichtet). Na ja, und das Fleisch selbst: superb. Mürbe, zart, innen medium, außen fast knusprig braun gebrutzelt. Ich konnte nicht klagen. Genauso wenig über die gut harmonierende, kräftig-fruchtige Cuveé aus Dornfelder und Merlot (5,40 €).
Auch mit den Hauptgängen ließen wir uns Zeit und genossen das Ambiente. Zum Dessert fehlte uns dann die Kraft (die Wahl hätte beispielsweise aus Crème Brûlée für 9,50 € oder einem Aprikosenkompott mit Vanilleeis für 9,90 € bestanden). Man muss wissen: Die Portionen sind im »Engel« recht opulent, was kein Fehler ist bei einem Restaurant dieser Klasse.
Kein Fehler ist mit Sicherheit auch, dass alles frisch zubereitet wird – ein Credo von Küchenchef Daniel Immerheiser. Die Weine von Dennis Immerheiser überzeugen ebenfalls. Seniorchef Georg Immerheiser, der den Landgasthof 1997 zusammen mit seiner Frau Barbara saniert und dann übernommen hatte, kann sich mit seiner Familie glücklich schätzen. Die Leserinnen und Leser des Feinschmeckermagazins »Falstaff« wählten kürzlich den Landgasthof »Engel« zum beliebtesten Wirtshaus in Westdeutschland.
ESSEN | 8,0 |
TRINKEN | 8,0 |
SERVICE | 8,0 |
AMBIENTE | 9,0 |
PREIS/LEISTUNG | 8,5 |
ERGEBNIS | 8,3 |