Überaus sterneverdächtig zaubert da Carl Grünewald mit seinem Team in der »Genusswerkstatt» des Atriumhotels heimische Produkte mit viel Können, Kreativität und Experimentierfreude in zahlreichen unterschiedlichen Texturen auf seine spektakulären Teller. In kleinen Portionen bietet er in seinen Genussmenüs zehn fantastische Gänge voller Überraschungen und Genusserlebnisse, auf die sich der Gast gerne einlässt. Regionale Produkte, nachhaltig verarbeitet, jahreszeitgemäß eingesetzt, gekonnt kombiniert machen die Kreationen für den Gast nachvollziehbar. So sind Erbsen, Radieschen, Zwiebeln, Kirschen, Kraut, Fisch und Fleisch keine exotisch Unbekannten, präsentieren sich aber in der Genusswerkstatt neu und überwältigend.

Heute zeichnet Claude-Louise Sauer, Chef de partie in der Küchenhierarchie unter Carl Grünewalds »Kochlöffelführung» für das Menü verantwortlich. Charmant und erläuternd kredenzt sie die Gänge, arbeitet am Pass und bildet ein tolles Servicegespann mit der jungen, freundlichen und sachkundigen Sommelière Maike Witfang, die für die Auswahl der hervorragenden passenden Weinbegleitung zuständig ist. Der extravagante, kühle Blanc de Noirs Sekt vom Pinot noir »Marie-Luise» von Raumland mit seinem kräftigen, intensiven Geschmack läutet den Abend für uns ein.

Kerzenlicht schafft eine stimmungsvolle Umgebung im elegant-reduzierten Gastraum und erlaubt die Konzentration auf das Wesentliche: den Genuss. Und der beginnt beim Menü sogleich mit der kleinen Brotzeit. Frisch gebackenes, warmes Roggen-Dinkel – Brot, die wundervolle Nussbutter (heute mit »Spargelasche»), Ziegenfrischkäse mit Ringen von Frühlingszwiebel und Gundermannblättchen, eingelegte, junge Karotte, ein Stückchen vom warmen Zwiebelkuchen, luftgetrockneter Schinken und Blutwurst (paniert, mit Senfsaat) vom Mangalitzaschwein – viele wundervolle Happen steigern Appetit und Vorfreude. Maike hat uns jetzt einen sehr trockenen Silvaner aus Franken ins Glas gegeben. Der entfaltet zum folgenden Gang eine erstaunliche Kraft und Würze. Und das muss er auch, denn der hellgrünen, kräftigen, herben Sauce aus Senf und Kresse gilt es nun standzuhalten. Die bildet die Basis für die im Ofen gegarten, zarten, hellroten und für die frischen, knackigen Radieschen mit den Blättchen vom Wiesenknopf.

Eine rot-grüne Augenweide, wie auch der nächste Gang: die Erbsen mit den kleinen, magentaroten, hübschen und aromatischen wilden Erbsenblüten. Die frischen, jungen Erbsen wurden zweimal geschält, erfahren wir. Schoten und feine Häutchen werden entsaftet und umgeben so als leichte grüne Flüssigkeit die bissfesten Erbsenhälften, zusammen mit einem Klecks Schmand. Ein neues nachhaltiges Erbsenerlebnis! Den Gang begleitet sehr schön der Riesling »Charm» (2021) vom Weingut Breuer aus dem Rheingau. Der tendiert ganz leicht in die halbtrockene Richtung, entfaltet schöne Zitrusaromen und zum Abschluss eine kräftige Säure. Ganz anders der Souvignier gris 2021 vom Weingut Brüder Dr. Becker aus Rheinhessen, der mit Honigduft verblüfft, aber im Geschmack eine kräftige Tanninstruktur entwickelt. Seine orange Farbe entspricht genau der Farbe des fantastischen, einfach sensationellen Stück Saiblings, roh, nur mit Rinderjus glasiert, unter geraspeltem Meerrettich, auf Mairübchenscheiben – dazu der Wein in verblüffender Harmonie. Ein Gedicht!

Und danach essen wir diese kleinen, aromatischen, im Backofen gegarten Zwiebel»schiffchen». Die sind beladen mit einer eingelegten Champignonscheibe und einer delikaten Pilzcrème, darauf etwas gerösteter Buchweizen und Bohnenkraut und die schwimmen in einem intensiven, köstlichen Pilzsud mit Estragonöl. Mmh! Dazu gefällt uns ein gereifterer, gehaltvoller Riesling (2016) vom Weingut G. Steinmetz von der Mosel, aus bester Lage, der ist stark im Geschmack und nicht aggressiv in der Säure und unterstützt die Zwiebel-Pilzaromen.

Danach verwöhnt uns das rheinhessische Weingut Gutzler mit seinem 2018er Cabernet Sauvignon, der war zwanzig Monate im Holzfass, hat viele Tannine und ist toll zum Fleisch. Denn nun kredenzt uns Claude den Maibock aus dem Hunsrück in zwei Variationen. Ein wenig von der über Nacht geschmorten Schulter mit ihrer gehaltvollen Jus bildet die Füllung für frische Maultaschen – sehr aromatisch, sehr intensiv. Schaumige Nussbutter, Gelbe Bete- Würfelchen und ein paar Liebstöckelstiele unterstützen dabei leicht und köstlich mit ihrem Geschmack. Eine Scheibe aus der zuerst kurz gebratenen, dann im Ofen gegarten Keule des Maibocks ist von perfekter Zartheit, Glanz und Aroma. In Kombination mit der frisch auf­geschlagenen, schaumig schmelzenden Sauce Béarnaise mit Kerbel und Estragon ergibt das eine glückliche Vermählung. Dazu ein schmales Stück feiner und nicht bitterer, gebackener Chicoree mit knuspriger Semmel­brösel-Zwiebelschmelze – nicht zu vergessen die feinen, jungen Fichtentriebe – lassen uns mit der Zunge schnalzen. Und dann werden wir wieder »geerdet»: ein traumhaftes, grünes, leicht süßes Sorbet vom Borretsch, dem Kraut aus dem eigenen Garten, auf Naturjoghurt lacht uns da entgegen. Drumherum, fast unsichtbar, das un­glaublich fruchtige, schmackhafte Öl vom Johannisstrauch: ein ganz besonderer, neuer ausgewogener Geschmack, dessen Herstellung uns Claude genau erklärt.

Jetzt schließt sich der Kreis mit dem Rosé Sekt Reserve Brut aus dem Sekthaus Raumland mit seinem schönen Geschmack von roten Beeren, denn die Kirsche, eingelegt in Holunderblütensirup ist die Hauptperson des Desserts, das ergänzt wird von einer Nocke Hefeeis, das im Ge­schmack an einen leichten Briocheteig erinnert, und von Baiserscheiben mit Zitronenmelisse. Windbeutel, gefüllt mit Zitronenverbenecrème und das süße Haselnussbaiser gibt es noch zum Kaffee, bevor uns Claude als elften Gang die nette Gabe »für den Morgen danach» mit auf den Weg gibt: das Müsli und den Honig aus eigener Produktion.

Wir sind überwältigt und atemlos vor Begeisterung. Produktqualität, Geschmack, Anmutung, Umgang mit dem Lebensmittel, Getränke, Service, Atmosphäre – hier hat jemand seinen eigenen Stil gefunden und durchgesetzt, hier stimmt einfach das Gesamtpaket! Unser Stern für Euch leuchtet ganz hell!

ESSEN10
TRINKEN10
SERVICE10
AMBIENTE9,5
PREIS/LEISTUNG9,5
ERGEBNIS9,8

 

Genusswerkstatt im Atrium Hotel
Flugplatzstr. 44
55126 Mainz
Tel. 06131 4910
www.atrium-mainz.de

Geöffnet: Do-Sa ab 19 Uhr

Menü in 11 Gängen: 105,00 € (inkl. Wasser)
Weinbegleitung (auf Wunsch): je Wein 11,00 €
Offener Wein (0,1 l): 5,00-6,50 €