Eine intensivgraue Regenwand nimmt uns heute die »drinnen-draußen-Entscheidung« ab. Also betreten wir Platens Restaurant im Rheinhotel über die schöne, baumbestandene Terrasse und nehmen Platz im schicken, hellen Wintergarten mit der grandiosen Aussicht auf den heute leider auch grauen Rhein. Der herzliche und sympathische Empfang durch das »Familienteam« Platen löst heimelige Gefühle aus, das passt, denn genau das will man in einem Hotel finden.
In der Küche meistert Marc Platen gekonnt alle kulinarischen Herausforderungen. Die Standardkarte bietet leichte und ausgefallene, auch vegetarische Gerichte, die Qualität der verwendeten Waren ist vorzüglich, Handwerkskunst und Kreativität ergänzen sich zu herausragenden Ergebnissen. Dienstags bis freitags gibt es einen Business-Lunch von 12-14 Uhr (29,90 €), eine kleine Karte verwöhnt die Gäste von 15-17.30 Uhr, die Küche steht am Abend dann bis 21 Uhr zur Verfügung.
Heute verkosten wir ein Gläschen Champagner Louis Roederer zum Aperitif, dazu knuspern wir Popcorn, intensiv gewürzt mit karamellisiertem Grillgemüsegewürz mit Hickory Rauchsalz. Das macht Spaß, aber besser noch gefällt uns das frisch gebackene Traubenkernbrot mit dem schönen passenden Öl und der feinen Mousse vom Graved Lachs mit dem Yuzuzitronenkaviar. Wunderbar auch der zweite Gruß aus der Küche, der sich als Chartreuse von grünem Spargel mit einem Entenleberparfait, und mit rheinhessischen Schokoladenkirschen mitcremigem, grünen Pfeffer äußerst delikat präsentiert und toll ausgewogen komponiert ist. So darf es weitergehen!
Kompetenter und hochaufmerksamer Service
Die Weinkarte studieren wir ausführlich: umfangreich und detailliert informiert sie über Wein an sich, über Rebsorten, über Lagen rund um Nierstein, um schließlich edelste Raritäten (für besondere Liebhaber), geordnet nach Jahrgängen (beginnend 1921) anzubieten. Aber auch junge Weine namhafter Güter aus der Gegend des Roten Hangs und der rheinhessischen Nachbarschaft sind da vertreten, bei den Rotweinen wird auch der Freund französischer Tropfen fündig. Die stets reizende, kompetente und hochaufmerksame Mariela Zimmermann im Service empfiehlt uns den trockenen Niersteiner Riesling Glöck 2022, ein Großes Gewächs aus Deutschlands ältester urkundlich erwähnter Weinbergslage von der Staatlichen Weinbaudomäne (0,1 l/12,90€). Dem Wein merkt man trotz seiner kurzen Reifezeit eine elegante Ausgewogenheit positiv an und er wird mit seiner unaufdringlichen Säure zum angenehmen Essensbegleiter.
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Charmant serviert uns Frau Zimmermann sodann die optisch spektakulären Vorspeisen dazu. Wir genießen ein Tatar von Avocado und Papaya, Limette und Sesam finden sich dabei in der schmackhaften asiatischen Goma Dare Sauce (19 €); Tomätchen und Frühlingszwiebel sind Farb- und Geschmackstupfer und drei zarte Black Tiger Riesengarnelen runden das köstliche vegetarische Gericht zusätzlich ab (+12€). Im kleinen, hausgemachten Brioche findet sich die traumhafte Scheibe Entenleber aus dem Périgord auf einem Weinbergspfirsich in Verjus, drumherum gesellt sich etwas Shisokresse und vor allem die köstliche Reduktion vom Cabernet Sauvignon hervorragend dazu (32 €). Ein himmlisches, edelsüßes Schlückchen Eiswein Riesling 2016 vom Weingut Gröhl darf natürlich dazu nicht fehlen (0,05 l/16,50 €).
Wunderbares Filetsteak
Ein schöner, nicht zu süßer, alkoholfreier Traubensecco, der »Looping« vom Weingut Raddeck, erfreut mich sodann zum Hauptgang. Da habe ich mir einen frischen, ausgelösten Artischockenboden ausgesucht. Mit seinem unnachahmlich köstlichen eigenen Geschmack harmoniert er ausgezeichnet zu den vielen frischen Pfifferlingen und zu dem kräftig grünen Kräuterrahm. Ganz vorzügliche Knoblauch-Pommes frites mit viel Rosmarin und viel gehobeltem Parmigiano Reggiano darüber ergänzen das Gericht auf delikate Weise (20 €+14 €). Der schöne Riesling Glöck gefällt auch weiterhin zum anderen Hauptgang. Da prangt auf dem Teller ein großes, wunderbares Filetsteak vom Argentinischen Angusrind (250 g Men’s cut 56 €). Das Fleisch ist von ausgesuchter Qualität, hier im Restaurant top gereift und perfekt medium rare zubereitet. Es wird mit knusprigen Pommes frites (auch diese hier besonders gut), Kräuterbutter und Merlot-Schalotten serviert. Eine tolle, frisch aufgeschlagene, schaumig gehaltvolle Sauce Béarnaise von wunderbarer Konsistenz und Geschmack bildet die geschmeidig-klassische Ergänzung. Etliche delikate Senfsorten aus Monschau wären die Alternative gewesen.
Schließlich erklärt mir Frau Zimmermann mein Dessert-Türmchen aus geeister Joghurt-Passionsfrucht-Mousse, aus Orangen-Mandelhippen auf einem kleinen, gemischten Beerenberg und einer Himbeercoulis, obenauf sitzt eine rot-schokoladige Turmspitze – eine sanfte, zarte, abschließende Köstlichkeit (16 €). Die »kleine Karte« offeriert einen Himbeer-Crumble. Die Himbeeren kommen frisch überbacken mit Butterstreuseln und einer Kugel samtigem Vanilleeis – ebenfalls ein stimmiger Abschluss (11 €).
Die Küche hat uns heute wieder mit höchstem Niveau erfreut! Das Essen sah nicht nur phantastisch aus, es hat auch so geschmeckt! Mitten in Rheinhessen, in der alt-ehrwürdigen Weinhochburg Nierstein (wo der Niersteiner Wein mal teurer als der aus Bordeaux war) hat sich mittlerweile Platens Familienhotel als Feinschmeckeradresse etabliert. Chapeau!
ESSEN | 9,5 |
TRINKEN | 10,0 |
SERVICE | 10,0 |
AMBIENTE | 8,5 |
PREIS/LEISTUNG | 8,5 |
ERGEBNIS | 9,2 |