Haben Sie schon einmal eine frische Fenchelblüte gegessen? Die flutet den Mundraum mit Anis-ähnlichen, kräftigen Aromen und ist schon ein Erlebnis für sich. Gezielt setzt sie Carl Grünewald in seiner auf Nachhaltigkeit bedachten Küche ein um den Eigengeschmack seiner Speisen aufzuwerten oder zu untermalen, niemals nur zur Dekoration. Regionale und saisonale hochwertige Materialien finden ihren Weg in kleine, feine Vorspeisenvariationen oder zu den einzelnen Hauptgängen, stets ist ein bestimmtes Produkt dabei im Fokus. Im wunderschönen Atriumgarten mit den roten Sommersegeln ist in diesem Jahr die Sommerküche des Adagio aufgebaut. Gearbeitet wird im Freien, gerne wird dabei natürlich gegrillt. Beim köstlich frischen Brot vom Bäcker Pfaff in Finthen – ergänzt um ein kräftiges Petersilienpesto – und einem kühlen Gläschen Riesling Sekt Brut vom Weingut Knewitz (8 €) lassen wir uns nach der Lektüre der feinen Sommerkarte dennoch sehr gerne vom Küchenchef be­raten. Der empfiehlt eine kleine Vorspeisenauswahl in der Art von Tapas, von der sich alle nach Lust und Laune bedienen können. Diese Idee finden wir ausgezeichnet und so soll es sein, wir wählen uns gleich vier appetit­anregende Köstlichkeiten aus, die auch nicht lange auf sich warten lassen.

Inzwischen hat unser fröhlicher, aufmerksamer und freundlicher Dennis Schmidt im Service sich um den Wein gekümmert. Komplette Jahrgänge verschiedener Weinbergslagen rheinhessischer, allerbester Weingüter listet die Weinkarte da zum Beispiel; der Rheingau, die Pfalz, die Mosel, die Nahe, Baden und Franken bieten ihre Tropfen an, Erzeugnisse aus Österreich, Frankreich, Spanien, Italien stehen für den Gast bereit. Die Auswahl der offenen Weine ist klein und fein. Dennis lässt uns den 2021er Rosé vom Weingut Bischel probieren, der hat einen blumigen Duft, ist nicht eben kraftlos und gewinnt beim Essen (0,1 l/5,00 €). Auch der 2021er Sauvignon Blanc vom Weingut Luff mit seinen Blütenaromen kann sich den Vorspeisen ausgezeichnet anpassen (0,1 l/5,00 €).

Da haben wir nämlich einen zarten, handgemachten Mozzarella, ausnahmsweise einmal nicht mit Tomaten, sondern mit einem knackigen Salätchen von grünen Bohnen in einem schönen grünen Leindotteröl, Zwiebeln und Speck erscheinen darauf als knuspriger Crunch, ein paar Kornblumenblüten und Frühlingszwiebelringlein unter­malen den würzigen Geschmack – auf dem grünen Teller ein Gesamtkunstwerk mit grünem Haupttenor (12,00 €). Nicht weniger spektakulär erscheint der aromatische, exzellente Ziegenfrischkäse um den großen, orangen Mittelpunkt eines würzigen Karottensalats herum, ergänzt um gelbe Chrysanthemenblättchen. Ein Holunderblütensud bildet die zartsüße Basis (8,00 €). Die schöne, frische Ceviche vom zarten Saibling wurde mariniert in Verjus. Tomate-, Gurke-, Zwiebelstückchen spielen den knackig-frischen Part dabei, eine hellgrüne Dillmayonnaise und frisch gehobelter Meerrettich gesellen sich als würzige Komponenten dazu (15,00 €). Auf kräftiggrüner kalter Erbsencrèmebasis erfreut schließlich noch knackiges, bissfestes Gemüse Auge und Gaumen. Karotten, die fantastischen fermentierten Radieschen, Fenchel, Kresse und ein paar knusprige, gepuffte Graupen runden das Farbenspiel ab (12,00 €). Wir reichen uns lebhaft die Teller hin und her: »Probier mal dies, koste mal jenes…«, ein sehr anregendes Vorspeisenspiel und wir sind schon fast satt.

Aber es kommt ja noch der Höhepunkt für zwei Personen: das riesige, gegrillte Porterhouse Steak vom Kastanienhof in Trebur. Exakt medium rare gebraten – wie gewünscht – erscheint ein vorzüglich schmackhaftes, bereits vom Knochen befreites Fleisch als Rumpsteak und als Filet auf dem Teller, gekrönt von leckeren, mit Senf geschmorten Zwiebelchen. Ein wenig in Apfelessig marinierter Giersch verleiht dabei Frische. Hausgemachte Dips gehören zum Gegrillten dazu: etwas BBQ-Sauce, die köstliche Estragon-Mayonnaise und die fantastische Kräuterbutter, bei der wir uns gar nicht bremsen können, peppen den Fleischgeschmack nochmal so richtig auf (ca. 25,00 € p.P.).

Ein leichter »Roter« aus dem Burgenland begleitet uns dabei, der 2020 Ponzichter aus Spätburgunder und Zweigelt (0,1 l/5,50 €) und auch der Grauburgunder 2021 vom Weingut Bettenheimer hält diesem ausgezeichneten Essen gut stand (0,1 l/4,50 €). Und jetzt kommt die Fenchelblüte. Klein und aromatisch sitzt sie zum Dessert im roten Teller auf meinem Aprikosensorbet und bildet zusammen mit der eisigen Steinfrucht eine kleine Geschmacksexplosion, ein wenig Haselnusscrunch liefert dabei den knusprigen Anteil. Auch der schöne, nicht zu süße Himbeercrumble mit der feinen Joghurteisnocke wird harmonisch durch diese feine Blüte ergänzt.

Vorzüglich versteht es Carl Grünewald mit seinem Team im Adagio, die dargebotenen Speisen auf den jeweiligen Eigengeschmack zu reduzieren und diesen besonders herauszuarbeiten, nicht, um dem Gast Wohl­geschmack insgesamt zu präsentieren, sondern um ihm den Wohlgeschmack des Lebensmittels zu präsentieren. Nichts ist überwürzt, alles ist frisch und dezent, aber dennoch voller harmonischer Aromen. Darauf haben wir uns sehr gerne eingelassen und beim Abschied bekomme ich noch einmal eine frische Fenchelblüte – für den Heimweg…

ESSEN9,0
TRINKEN10,0
SERVICE9,5
AMBIENTE9,0
PREIS/LEISTUNG9,0
ERGEBNIS9,3

Adagio im Atriumhotel
Flugplatzstr. 44
55126 Mainz
Tel. 06131 4910
www.atrium-mainz.de
geöffnet: Mo-Sa 18-21 Uhr
Ruhetag: So

Vorspeisen und kalte Speisen: 8,00-15,00 €
Hauptspeisen: 14,00-25,00 €
Desserts: 8,00-14,00 €
Offener Wein (0,1 l): 4,50-5,50 €